
Mit Wanderschuhen auf Widukinds Spuren – ausverkauft am ersten Tag, 50 auf der Warteliste
Wer bei „Wege durch das Land“ an einen gemütlichen Leseabend denkt, sitzt vermutlich noch zu Hause. In Enger jedenfalls war das Festival alles andere als ein reines Stuhl-und-Bühne-Erlebnis. Stattdessen: Wanderschuhe schnüren, Radkette ölen, Wasserflasche einpacken – und los.
Zum 25-jährigen Jubiläum der Literatur- und Musikreihe machten sich rund 140 Menschen auf den Weg. Wörtlich. Vier Gruppen – zwei zu Fuß mit 4 und 8 Kilometern, zwei auf dem Rad mit 29 Kilometern – erkundeten Landschaft, Geschichte und Sprache auf eng getakteten Stationen. Schon der Vorverkauf hatte angedeutet, dass es eng wird: Am ersten Tag waren alle Plätze weg, 50 weitere standen auf der Warteliste.
Zwischen Stiftskirche, Liesbergmühle und Sattelmeierhöfen wurden Musik und Texte in kleinen Portionen serviert. Kein Bühnenbombast, keine Großgeste – sondern feine, präzise Momente an Orten, die oft übersehen werden. Die Wandergruppe wurde vom Heimatverein Enger geführt, die Radlergruppe vom ADFC Enger-Spenge. Beide trafen sich am Ende unter der imposanten Kastanie auf dem Hof Mey, ein schattiger Ort, wie gemacht für letzte Takte und letzte Worte.
Und mittendrin: Widukind. Der Sachsenherzog, mythologisch überhöht, historisch umstritten, wurde an diesem Tag zur Hauptfigur. Festivalleiter Stephan Szász wollte wissen, wo genau Geschichte in Sage übergeht. „Mich interessiert immer unheimlich, was Mythos und was wirklich wahr ist an einer Heldensaga“, sagte er – und las dann selbst aus „Don Quijote“, dem vielleicht größten Windmühlenkämpfer der Literaturgeschichte.
Für die historischen Tiefenbohrungen war Dr. Olav Heinemann zuständig, Leiter des Widukind-Museums. Er zeichnete nach, wie Widukind über die Jahrhunderte immer wieder als Ahn herhalten musste – mal für deutsche Adelsgeschlechter, mal als Projektionsfläche für lokale Identität. Schauspielerin Katja Danowski ergänzte diese Linien mit Lesungen aus Sagen und historischen Texten – und spannte sogar eine Brücke zu König Artus, dessen Tod und Entrückung sie leise und eindringlich rezitierte.
Musikalisch begleiteten Cellistin Anastasia Tcaregorodtceva und Querflötistin Karina Skrzypczak die Etappen. Kein Konzert im klassischen Sinne, sondern musikalische Miniaturen, die den Texten Raum ließen – und manchmal gerade durch ihre Zurückhaltung wirkten.
Für Snacks und Getränke sorgten die Landfrauen Enger-Herford – mit Sinn für das Detail und einem Blick für hungrige Wandernde.
„Das war eine sehr schöne Mischung aus Information und Unterhaltung, stellenweise auch sehr berührend“, sagte Besucherin Katja Maas am Ende. Und Besucher Frank Gizinski meinte knapp: „Toll gemacht.“
Manche Veranstaltungen laden ein zum Sitzen und Zuhören. Diese hier forderte Bewegung – körperlich und geistig. Wer dabei war, hat nicht nur ein Festival erlebt, sondern eine kleine Expedition. Durch Landschaft, Geschichte und Sprache. Und vielleicht auch ein bisschen durch sich selbst.
Fotos: Marcel Wyrobek und Jana Göb