
Wenn man Petra und Frank Wüllner zuhört, wenn sie von ihrem Zuhause erzählen, dann klingt das nicht wie ein Mietverhältnis. Es klingt nach Wurzeln, die tief reichen. Nach Nachmittagen mit Kuchen und Kindergeschrei, nach durchgearbeiteten Nächten im heimischen Büro, nach Gesprächen über dem Gartenzaun. Es klingt nach einem Ort, der über vier Jahrzehnte lang nicht einfach eine Wohnung war – sondern ihr Zuhause. Jetzt soll all das enden.
Hier in ihrer Wohnung stand der Weihnachtsbaum immer an derselben Stelle. Und hier hörte man nie nur eine Stimme, sondern viele – damals die der Papageien, eine Zeit lang des Hundes, der Meerschweinchen, der Freunde, der Familie. Ein ganzes Leben in einer Wohnung. Und genau dieses Zuhause sollen Petra und ihr Mann Frank nun verlassen.
Im März 1979 sind die beiden in die Wohnung am Erlengarten gezogen. Ihre zweite Tochter war unterwegs, die kleine Wohnung in der Bolldammstraße wurde zu eng. „Die Bewerbung hat fünf Minuten gedauert“, erinnert sich Frank, heute 75 Jahre alt. „Wir hatten direkt einen Draht zueinander.“ Gemeint ist Dr. Helbig, der damalige Vermieter – und Hausarzt von Enger. Aus einem Mietverhältnis wurde über 40 Jahre Freundschaft. Aus Nachbarn wurden Weggefährten. Im Haus, das aus drei Wohnungen besteht, wohnten alle Parteien über Jahrzehnte. Jeder kannte jeden, man half sich in guten wie in schweren Zeiten. Man half sich beim Renovieren, teilte Werkzeug, Urlaubsvertretung, Grillabende und Alltag. Eine gewachsene Gemeinschaft, wie sie in manchen Häusern längst verloren gegangen ist.
Petra und Frank Wüllner haben in Enger ihr ganzes Leben aufgebaut. Sie heirateten jung, mit 18 und 19, machten sich selbstständig, zogen zwei Töchter groß. Eigentum kam für sie nie in Frage – „mal lief’s gut, mal schlecht“, wie das eben so ist, wenn man unabhängig arbeitet. Dafür steckten sie alles in ihr Zuhause. In ihr Viertel. In ihre Beziehungen.
Ihre Wohnung im Erlengarten war ein Glücksfall: 120 Quadratmeter, eine große Terasse, Gartenanschluss – damals für 630 DM warm. Hier arbeiteten beide über viele Jahre gemeinsam in ihrer selbstständigen Werbeagentur. Noch heute, mit über 70, arbeitet Frank als Grafiker – von Zuhause, in seinem kleinen Büro in ihrer Wohnung.
Doch nun, nach über 46 Jahren, müssen Petra und Frank ihre Wohnung verlassen. Nach dem Tod von Dr. Helbig im Jahr 2021 ging das Haus an seinen Sohn über. Der lebt weiter entfernt und wollte die Immobilie nicht selbst behalten. Aus Rücksicht auf die Mieter ließ er ein Maklerbüro nach einem Investor suchen – mit der Bedingung, dass alle Bewohner bleiben dürfen. Doch niemand fand sich. Das Haus wurde schließlich an eine Privatperson verkauft. Im Mai folgte die Kündigung: Eigenbedarf.
Für Petra und Frank ist das nicht nur eine formale Nachricht. Es ist ein Bruch. „Wir verlieren unser Zuhause“, sagt Petra. Seitdem suchen Petra und Frank eine neue Wohnung. Und stoßen immer wieder an Grenzen.
Und Enger ist klein, wenn man auf Wohnungssuche ist. Schon gar mit 74 und 75 Jahren. „Wir kennen hier jede Hütte – wir suchen wirklich unermüdlich“, sagt Petra. Doch das, was sie brauchen, gibt es kaum. Eine Wohnung in Enger, möglichst zentral, keine drei steilen Treppenstufen mehr, gerne mit einem kleinen Raum fürs Büro. Keine Luxuswohnung, keine riesige Fläche. Einfach ein Ort zum Ankommen. Aber das scheint momentan in Enger fast unmöglich. „Der Wohnungsmarkt ist der Horror“, sagt Petra offen, „in Enger wird einfach nicht an junge Familien und alte Menschen gedacht.“
Aus Enger wegziehen? Das ist einfach keine Option für sie. „Enger ist unser Zuhause“, sagt Petra entschieden. „Seit über 50 Jahren. Unsere Freunde leben hier, unsere Ärzte, unser Alltag. Alles, was wir brauchen – ist genau hier.“ Ein Umzug in die Außenbereiche kommt für sie nicht infrage: Petra fährt kein Auto mehr, ist auf kurze Wege angewiesen. Und in die umliegenden Städte? „Das wäre, als würden wir alles verlieren“, sagt Frank. Und er meint nicht nur eine Adresse. Sondern ein ganzes aufgebautes Leben.
Das Ehepaar, das bereits seit 55 Jahren zusammen ist, hat nur einen Wunsch: Bleiben zu dürfen. In einer Stadt, die sie lieben. In der sie gelebt haben. Und leben wollen.
Wer kann helfen?
Petra und Frank Wüllner suchen eine schöne Wohnung in Enger: barrierearm, zentral, mit Platz für ein kleines Büro. Gerne jeden Tipp per E-Mail an hallo@wirsindwidu.de
von Jana Göb