Gemeinsamer Hilferuf aus den Grundschulen: Schulleitungen fordern Umverteilung der Anmeldungen

Die Geduld der Engeraner Grundschulen ist erschöpft. Mit einem gemeinsamen Antrag haben die Schulleitungen im Rathaus deutlich gemacht, dass sie die Belastung durch zu große Klassen nicht länger hinnehmen wollen. Ab dem Schuljahr 2026/2027 sollen maximal 25 Kinder in eine Regelklasse eingeschult werden dürfen, für integrative „Klassen des Gemeinsamen Lernens“ gilt nach ihrem Vorschlag sogar eine Grenze von 22. Der Antrag wurde am 23. September im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport vorgestellt und schon in der Sitzung wurde klar, wie dringend die Schulen auf eine Entscheidung hoffen.

Die diesjährigen Einschulungen haben die Schieflage besonders deutlich gezeigt. In Oldinghausen/Pödinghausen wurden zwei Klassen mit jeweils bis zu 28 Kindern gebildet, während in Enger-Mitte eine Klasse gar nicht erst zustande kam. Statt vier kleinerer Klassen blieben nur drei – und auch sie platzen mit bis zu 29 Schülerinnen und Schülern pro Raum aus allen Nähten. Für die Schulleitungen ist das ein Zustand, der weder den Kindern noch den Lehrkräften gerecht wird. „Die Schulen können der Integration nicht mehr gerecht werden“, warnte Antje Thiele, Schulleiterin in Westerenger. Gerade das gemeinsame Lernen, bei dem Kinder mit und ohne Förderbedarf zusammen unterrichtet werden, stoße hier schnell an Grenzen.

Auch Martina Küper, Leiterin der Grundschule Oldinghausen/Pödinghausen, fand deutliche Worte. Sie schilderte, wie die Verschiebungen dazu geführt haben, dass in Enger eine ganze Klasse gestrichen werden musste. „Wenn wir Kinder ablehnen dürfen und sie auf ihre Einzugsschule verweisen können, können wir endlich allen Kindern wieder gerecht werden“, sagte sie. Der offizielle Richtwert des Landes Nordrhein-Westfalen liegt bei 23 Kindern pro Klasse, doch in Enger wird diese Zahl regelmäßig überschritten. Für viele Lehrerinnen bedeutet das zusätzlichen Stress, für die Kinder weniger individuelle Förderung.

Wie groß die Belastung bereits zu Beginn des Schuljahres ist, machte Annegret Holz deutlich. „Nach nur vier Wochen sind die Kolleginnen erschöpft“, berichtete die Schulleiterin aus Belke-Steinbeck und betonte, dass es pädagogisch kaum zu verantworten sei, fast 30 Kinder in einer Klasse zu unterrichten, in der zusätzlich Förderkinder sitzen. Auch Eva Dorothee Steuer aus Enger-Mitte mahnte eindringlich: „Gerade Kinder mit Integrationsschwerpunkt brauchen enge Betreuung. Unterricht in dieser Stärke über mehrere Stunden ist nicht möglich. Vor allem für die Kinder, die lernen wollen, ist dieser Zustand untragbar.“

Die Schulleitungen sind sich einig, dass kleinere Klassen nicht nur die Qualität des Unterrichts verbessern, sondern auch für mehr Gerechtigkeit zwischen den einzelnen Standorten sorgen würden. Überlaufene Schulen auf der einen Seite und unterbelegte Standorte auf der anderen seien auf Dauer keine Lösung. Die Verwaltung zeigte sich zwar verständnisvoll, doch Fachbereichsleiter Jens Stellbrink verwies auf die praktischen Grenzen. „Der Antrag ist nachvollziehbar, aber die räumlichen Kapazitäten sind an den Schulen begrenzt. Die Frage ist, ob wir genügend Klassenräume zur Verfügung stellen können.“ In Enger gibt es seit Jahren insgesamt zehn Eingangsklassen pro Jahrgang, und auch die Gebäude sind darauf ausgelegt. Die Schulleitung der Grundschulen forderte jedoch nicht eine Dreizügigkeit an den kleineren Standorten, sondern eine Handhabe zur frühen Umberatung der Eltern – noch vor dem Ratsbeschluss, wie viele Klassen gebildet werden dürfen um weiterhin alle Schulen gleichmäßig auszulasten. Denn gleichzeitig seien alle Grundschulen „im Minus“ was die Stundenanzahl Lehrkräfte angehe.

„Eine Zweizügigkeit ist für uns weiterhin wünschenswert“, so Annegret Holz, „wenn es aber auf drei Klassen hinauslaufen wird, dann werden wir Lösungen finden und kreativ werden.“

Eine Aufnahme über die geforderte Klassengrenze hinaus soll dann laut Stellbrink nur in absoluten Ausnahmefällen von dem Richtwert abweichen, wie zum Beispiel die Aufnahme eines Geschwisterkindes.

Von politischer Seite kam Zustimmung. SPD-Ratsherr Nils Wörmann betonte, dass „vernünftiger Unterricht“ nur mit kleineren Klassen möglich sei. CDU-Fraktionsvorsitzender René Siekmann brachte die Stimmung im Saal auf den Punkt: „Dass wir in Enger-Mitte eine Klasse verlieren, ist Mist – und da müssen wir gegensteuern. Inhaltlich kann man dem Antrag nur zustimmen.“

Einen Beschluss fasste der Ausschuss noch nicht. Die Verwaltung empfahl, den Antrag zunächst zur Kenntnis zu nehmen und die weitere Beratung nach der Neukonstituierung der politischen Gremien fortzuführen. Für die Schulleitungen ist das allerdings kein Trost, denn die nächste Anmelderunde steht schon in wenigen Monaten an. „Wir müssen jetzt eine klare Handhabe bekommen, sonst laufen wir jedes Jahr aufs Neue in dasselbe Problem hinein“, hieß es von Schulseite. Die Situation sei für alle Kinder nicht mehr tragbar.

Ob die Politik in Enger den Mut hat, die Klassengrößen wirklich verbindlich zu begrenzen und damit den Eltern die Möglichkeit nach ihrer Wunsch-Schule zu nehmen, wird sich vermutlich erst im neuen Rat entscheiden. Bis dahin bleibt die Frage offen – und die Lehrkräfte arbeiten weiter in Klassen, die „schon lange zu groß“ sind.

Von Jana Göb