Flaschenkind auf Hof Möller: Wie „Lämmchen“ sich in die Herzen meckert

Wer in diesen Tagen über den Hof Möller an der Wertherstraße spaziert, dem könnte ein helles, forderndes Blöken entgegenklingen. Kommt das vertraute Surren der Hoftür, hüpft ein kleines Lamm erwartungsvoll zum Zaun und wartet auf seine Milchflasche. Die bringt Henning Möller natürlich selbst. Denn „Lämmchen“ weiß längst: Wenn der Chef des Hofes auftaucht, gibt’s Nachschub.

Die kleine Hauptdarstellerin dieser Geschichte kam am 28. April gemeinsam mit ihrer Schwester auf die Welt – als Zwilling, wie es bei Schafen gar nicht so selten vorkommt. Doch was so süß beginnt, ist nicht immer ganz unkompliziert.

Anfangs sah alles gut aus: Die Mutter der beiden Coburger Fuchsschafe kümmerte sich liebevoll um ihren Nachwuchs und säugte beide Lämmer. Doch schon nach zwei Tagen bemerkte Henning Möller, dass eines der beiden nicht richtig wuchs und lautstark seinen Hunger kundtat. Schnell wurde klar: Die zweite Zitze hatte offenbar einen Knubbel, der das Saugen erschwerte. Nur ein Lamm wurde wirklich satt.

„Da muss man schnell reagieren“, sagt der 52-Jährige, der gemeinsam mit seiner Frau den Hof betreibt. Für solche Notfälle hat er immer ein Vorratspaket Lämmermilch-Pulver im Haus. Also wurde kurzerhand umdisponiert: „Lämmchen“ – der Name ergab sich wie von selbst – bekam fortan ihre Rationen aus der Flasche. Anfangs alle paar Stunden, Tag und Nacht.

Mittlerweile sind die beiden ein eingespieltes Team. Inzwischen reicht es, „nur“ vier Mal täglich zu füttern – das kleine Schlitzohr klaut sich nämlich immer wieder ein paar Schlucke bei der Schwester, die die „gute“ Zitze besetzt hält. „Auch Gras und Heu steht schon auf dem Speiseplan“, weiß er.

Das Ritual ist stets dasselbe: Kaum erscheint Henning Möller mit der Flasche am Zaun, kommt „Lämmchen“ im Eiltempo angerannt. Und wehe, der Bauer lässt sich mal ein wenig zu viel Zeit – dann schallt Lämmchens Protestmeckern über den gesamten Hof. „Sie ist schon ziemlich lautstark, wenn ich zu spät bin“, erzählt Möller schmunzelnd.

Dass die Schafsmutter dennoch keine schlechte Mutter ist, betont er ausdrücklich: „Sie kümmert sich toll. Sie wartet sogar mit dem Weidegang, bis Lämmchen fertig getrunken hat.“ Solche Details zeigen, wie feinfühlig und instinktsicher Tiere agieren – und wie viel Fürsorge selbst in einem Schaf steckt.

Henning Möller selbst ist seit Jahren Landwirt mit Leidenschaft. Neben der Schafzucht betreibt er seit 2001 ein Blumenfeld, baut Obst und Gemüse an und verkauft im Herbst Kürbisse. In der Adventszeit stehen zudem Weihnachtsgänse zum Verkauf. Ein Hof voller Leben – und voller Geschichten.

Und was wird aus „Lämmchen“? Auch wenn es schwerfällt, bleibt Möller realistisch: „Wenn sie etwa sechs Monate alt ist und um die 50 Kilo wiegt, wird sie wie ihre Geschwister geschlachtet.“ Dass der Abschied bei diesem Lamm vielleicht ein wenig schwerer fallen wird, gibt er offen zu: „Vermutlich schmerzt das bei Lämmchen schon ein bisschen mehr, wenn sie dann auf dem Hänger steht.“

Bis dahin aber genießt das kleine Flaschenlamm seine Extra-Portion Aufmerksamkeit – und blökt sich Tag für Tag ein Stück tiefer in die Herzen auf Hof Möller.

Von Jana Göb