
Am Mittwoch blieb es in vielen Apotheken dunkel. So auch in der Mühlenapotheke in Enger. Kein Versehen, kein Stromausfall, sondern ein stilles, bundesweites Signal.
„Vielen steht das Wasser bis zum Hals“, sagt Jens Kosmiky in seinem Video. Er steht in seiner Apotheke in Enger, der Kittel sitzt wie immer, der Ton ist ruhig. Doch was er erzählt, hat wenig mit Routine zu tun. Es geht um ein System, das seit Jahren auf Verschleiß fährt – und nun sichtbar ins Wanken gerät.
Apotheken, so Kosmiky, seien längst keine sicheren Bollwerke mehr. „Die Wahrheit ist: Viele Apotheken kämpfen ums Überleben.“ Die Aktion des Lichterausschaltens war kein lauter Protest, sondern ein letzter Versuch, gehört zu werden.
Ein Berufsstand unter Druck
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit über zehn Jahren ist das Apothekenhonorar faktisch eingefroren. Die Kosten dagegen steigen – Personal, Energie, Miete, Digitalisierung, Lieferengpässe. Was früher aufgefangen werden konnte, wird heute zur Belastung.
„Wir sind hochreguliert, wir tragen Verantwortung, wir sind Teil der kritischen Infrastruktur“, sagt Kosmiky. Gerade kleinere, inhabergeführte Apotheken auf dem Land geraten zunehmend unter Druck. Jede Schließung reißt eine Lücke – medizinisch wie sozial. Denn die Apotheke vor Ort ist mehr als eine Ausgabestelle für Medikamente. Sie ist Anlaufpunkt, Übersetzerin medizinischer Fachsprache, oft erste Adresse bei Unsicherheit. „Wir erklären, beruhigen, sortieren“, sagt Kosmiky. „Und das täglich.“
Wenn Beratung zur Nebensache wird
Was passiert, wenn Apotheken verschwinden, zeigt sich anderswo bereits deutlich: längere Wege, weniger Zeit für Gespräche, mehr Belastung für Arztpraxen und Notaufnahmen. Gerade ältere Menschen, chronisch Erkrankte oder Familien ohne Auto spüren das zuerst.
„Die Politik redet viel über Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“, sagt Kosmiky. „Aber wenn man an den Apotheken spart, spart man an der Basis.“ Die Aktion am Mittwoch war deshalb auch ein Appell: hinschauen, bevor es zu spät ist.
Kein Aufstand, sondern ein Warnsignal
Dass der Protest bewusst leise gewählt wurde, war kein Zufall. „Es ging nicht darum, Menschen vor verschlossenen Türen stehen zu lassen.“ Die Versorgung war jederzeit gesichert, Notdienste liefen wie gewohnt weiter. Und doch hatte der Moment Wirkung. Wer an diesem Abend an einer dunklen Apotheke vorbeiging, blieb stehen. Fragte sich: Warum ist hier das Licht aus? Vielleicht ist genau das der Punkt. Sichtbar machen, was sonst im Alltag selbstverständlich erscheint.
Hintergrund ist der aktuelle Referentenentwurf zur Apothekenreform, der am 17.12.2025 im Bundeskabinett beraten wurde und in welchem leider die Bundesregierung nicht nur nicht auf die vor der Wahl genannten Versprechen gegenüber der Apothekerschaft eingeht, sondern welcher auch Passagen enthält, die die wohnortnahe und flächendeckende Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln gefährden.
Zwischen Verantwortung und Erschöpfung
Viele Apothekerinnen und Apotheker stehen an einem Scheideweg. Nachwuchs fehlt, Übernahmen werden seltener, Arbeitszeiten länger. „Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die aufgeben wollen“, sagt Kosmiky. „Nicht, weil sie ihren Beruf nicht lieben – sondern weil sie ihn unter diesen Bedingungen nicht mehr ausüben können.“
Das Wasser steht ihnen bis zum Hals. Noch ist Luft zum Atmen da. Aber die Frage ist, wie lange noch.
Das Licht ging am Mittwoch wieder an. Die Probleme blieben. Und sie werden bleiben, solange sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert. Für Enger, für Spenge – und für viele andere Orte, in denen eine Apotheke mehr ist als nur ein Geschäft.
