
Wer schon einmal in einer Ausschusssitzung im Engeraner Rathaus saß, kennt das: Man darf zuhören, aber nicht mitreden. Fragen stellen? Bisher nicht erlaubt. Das könnte sich bald ändern.
Der Stadtrat hat die Verwaltung jetzt beauftragt, eine Änderung der Geschäftsordnung auszuarbeiten. Ziel: Bürgerinnen und Bürger sollen künftig auch in den Fachausschüssen Fragen stellen dürfen – und nicht mehr nur im Rat.
Der Antrag kam von Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktion begründete ihren Vorstoß damit, dass viele Themen genau in den Ausschüssen fachlich vorbereitet und besprochen werden. „Das Ziel ist es die Distanz herabsetzen. Täglich im Internet passiert es, dass Menschen sich Fehlinformationen schreiben – es sollte lieber in den Ausschüssen nachgefragt werden, da, wo fachlich und sachlich besprochen wird“, so die Grünen im Rat. „Tagtäglich wird in Trollfabriken mit hohem Aufwand daran gearbeitet, das Vertrauen in demokratische Prozesse zu untergraben“, heißt es in der Begründung. Die Fachausschüsse zu öffnen sei ein Schritt zu mehr gegenseitigem Vertrauen.
Unterstützung kam von SPD und CDU. SPD-Ratsmitglied Guido Libuda-Franke erklärte, man finde den Vorschlag gut, weil er für mehr Transparenz und Öffentlichkeit sorge. Auch die CDU stimmte zu. Ratsmitglied René Siekmann sprach von einem ersten Schritt und verband damit die Hoffnung auf mehr Beteiligung aus der Bürgerschaft.
Skeptischer zeigte sich die FDP. Norbert Busch äußerte die Sorge, dass sich die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger nicht erfüllen könnten. Nicht selten sei der Frust nach einer Fragestellung größer als zuvor. Er rief dazu auf, Probleme weiterhin direkt mit der Verwaltung oder den Fraktionen zu klären. Die FDP enthielt sich.
Bürgermeister Stefan Böske sprach sich deutlich für den Vorstoß aus. Er machte darauf aufmerksam, dass Bürgerinnen und Bürger in Ausschüssen bislang nur zuschauen könnten, obwohl dort die eigentliche inhaltliche Arbeit stattfinde. Fragen würden oft erst im Rat gestellt – zu einem Zeitpunkt, an dem vieles bereits entschieden sei. Zudem sei es für viele eine hohe Hürde, vor dem gesamten Rat zu sprechen. Diese Schwelle müsse herabgesetzt werden.
Beschlossen ist die Änderung damit noch nicht. Die Verwaltung soll nun einen konkreten Vorschlag ausarbeiten. Erst danach entscheidet der Rat endgültig, ob und wie Bürgerfragen in Ausschüssen künftig möglich werden.
Fachausschüsse sind Arbeitsgremien des Rates, die sich jeweils mit bestimmten Themenbereichen beschäftigen, zum Beispiel mit Stadtentwicklung, Schule, Soziales oder Finanzen. Dort bereiten Ratsmitglieder gemeinsam mit der Verwaltung Entscheidungen inhaltlich vor, diskutieren Vorlagen, stellen Detailfragen und sprechen Empfehlungen für den Rat aus. Die eigentlichen Beschlüsse werden anschließend in der Ratssitzung gefasst. Der Rat ist das oberste politische Entscheidungsgremium der Stadt, in dem alle Fraktionen vertreten sind. Während in den Ausschüssen die fachliche Vorarbeit geleistet wird, werden in den Ratssitzungen die Themen öffentlich beraten und formell entschieden.
