
Ein Mann geht gerade viral, und mitten in dieser Welle landet plötzlich die Stadt Enger. Denn die Frage, die im Netz und in politischen Kreisen herumschwirrt, lautet: Ist das Satire – oder ist dieser Typ wirklich so? Wir haben uns auf Spurensuche gemacht, mit Menschen aus Enger gesprochen und versucht herauszufinden, wer dieser Alexander Eichwald eigentlich ist.
Der 30-Jährige tritt am Samstag in Gießen bei der Gründung der neuen AfD-Jugend auf – und sein Auftritt verursacht ein kollektives Kopfschütteln. Mit rollendem „R“, starrenden Augen im Kinski-Modus und wild fuchtelnden Fingern redet Eichwald von „Volksgenossen“ und „Volkskörper“. Im Saal schwanken die Reaktionen zwischen Gekicher und Starren. Einer steht schließlich auf, geht ans Mikro und fragt ihn: „Sagen Sie mal, sind Sie ein V-Mann?“ Am Ende fällt Eichwald bei der Wahl durch – jedoch bekommt er mit seiner an Adolf Hitler erinnernde Rede bei der Stichwahl immerhin 12 Prozent der Stimmen der AfD-Jugend. Mehr als jeder zehnte Teilnehmer hält es demnach also für eine gute Idee, den Mann in den Vorstand der neuen AfD-Jugend zu wählen.
Auf Nachfrage erklärte er später, er sei mit neun Jahren nach Deutschland gekommen, Russlanddeutscher, und das rollende „R“ habe er so gelernt: „Man hat mir Deutsch mit diesem R beigebracht.“
Doch das ist erst der Anfang der Geschichte. Denn die Frage, die viele jetzt beschäftigt, lautet: War dieser Auftritt als provokative Performance geplant – oder ist der Mann wirklich so gefährlich radikal?
Wer versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, landet schnell in Enger. Dort steht nämlich ein Name, der plötzlich wieder auftaucht: Alexander Eichwald, 2019 Praktikant in der Gleichstellungsstelle. Der entsprechende Link liegt noch immer im Netz. Früher trat Eichwald im Netz unter dem Namen „Alex Oak“ auf, als Künstler und Musiker. Seine Accounts auf Amazon, Spotify und X sind gelöscht, die Bilder aber noch auffindbar. Auf der Plattform „Deezer“ hingegen sind noch alle Musikstücke zu finden. Alle Lieder wurden von 2022 bis 2024 veröffentlicht: In dem Song „Can`t tell me what to do“ singt er „I don`t give a fuck if you like me or not“. Alle Lieder sind Partytracks, auf englisch gesungen, teilweise gerappt. Alle mit deutlich Tempo und Upbeat. In keinem Lied wird deutlich, dass er eine NS-ähnliche Aussprache hat.

Wer in Enger nachfragt, trifft vor allem auf fragende Gesichter. Die damalige Gleichstellungsbeauftragte Ulrike Harder-Möller will sich nicht äußern. Bürgermeister Thomas Meyer, der 2019 sein Vorgesetzter war, erinnert sich nicht an ihn; wenn ein Praktikum nur in der Gleichstellungsstelle stattgefunden habe, sei er damit kaum in Berührung gekommen. Und auch Bürgermeister Stefan Böske, der auf einem Foto von 2019 neben Eichwald steht, hat sich in den letzten Tagen mehrfach gefragt, ob Eichwald damals schon dieses auffällige R gerollt habe. Die Begegnung hat er allerdings eigentlich als „ganz sympathisch“ in Erinnerung. Auf den Fotos vor sieben Jahren lächelt Eichwald charmant in die Kamera und hält dabei ein Plakat mit der Aufschrift „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“ – zunächst ein anderes Bild, als das was sich am Rednerpult zeigte.
Parallel dazu kursieren online weitere Behauptungen: Eichwald solle auch Praktika bei den Grünen und der SPD in Herford absolviert haben. Doch weder SPD-Kreisvorstandsmitglied Sarah Karczewski noch Maik Babenhauserheide von den Grünen können das bestätigen: „Als Mitglied im Kreis oder in Enger ist er uns nicht bekannt“, weiß Sarah Karczewski. „In unseren Personalakten ist keine Spur von Herrn Eichwald“, erklärt Maik Babenhauserheide.
Und dann schwebt da noch die Theorie, die sich in Kommentaren, Memes und satirischen Ecken des Netzes immer weiter aufbläst: Wurde Eichwald womöglich von der PARTEI Herford eingeschleust, um die AfD mit einer grotesk überzogenen Kunstfigur vorzuführen? Eine Art politisches Guerilla-Theater, mitten hinein in die Nachwuchsorganisation der AfD?
Die Vorsitzende der PARTEI Herford, Finja Bühler, nimmt zu den Gerüchten Stellung: „Niemand weiß ob Herr Eichwald von uns eingeschleust worden ist oder ob er uns eingeschleust hat, das lässt sich am Ende des Tages nicht klären“, erklärt die Vorsitzende.
Laut Deutscher Presse-Agentur soll in Herford nun ein Parteiausschlussverfahren anlaufen. Er sei erst seit ein paar Wochen in der AfD gewesen. „Es kenne ihn dort kaum jemand. Und diejenigen, die ihn kannten, sagen, dass er nie das R gerollt hat“, erklärte die AfD Herford gegenüber dpa. Er habe sich bisher unauffällig verhalten. Das spreche dafür, dass sein Auftritt in Gießen eine Aktion gewesen sei, ob auf eigene Faust oder im Auftrag Dritter sei Spekulation. Die AfD sei sich sofort einig gewesen und leite alles in die Wege, „um ihn überall dort, wo es gehe loszuwerden.“
Ob Alexander Eichwald nun politischer Überzeugungstäter, verkannter Satiriker oder ambitionierter Schauspieler ist – diese Frage kann im Moment niemand klar beantworten. Sicher ist nur: Sein Auftritt bewegt sich irgendwo zwischen politischem Ernst und absurder Inszenierung. Und Enger, wo er vor wenigen Jahren noch im Rathaus Kaffee kochte und Akten sortierte, schaut fassungslos auf den Mann, der am Wochenende mit rollendem R und wuchtiger Gestik viral ging.
