Eltern in Sorge, Stadt erklärt die Hintergründe

Seit Jahrzehnten lief der Schulbusverkehr in Pödinghausen und Oldinghausen reibungslos. Die Busse der Firma Kuhlmann galten als zuverlässig, sicher – und vor allem als pragmatisch: Wenn es für die Kinder einfacher war, hielt der Bus auch schon mal auf einem Privatgrundstück oder ließ sie an einer günstigen Stelle ein- und aussteigen. Damit ist seit Beginn des neuen Schuljahres Schluss. Und das sorgt für heftigen Unmut bei Eltern und Schülern.
Eltern kritisieren Chaos und Gefahrenstellen
„Es ist nicht nur ein bisschen ärgerlich, sondern gefährlich“, heißt es in einem Elternbrief, der der Widu-Redaktion vorliegt. Besonders die Haltestelle „Gelber Weg“ wird genannt: Dort müssen Kinder direkt nach dem Aussteigen die Straße überqueren – oftmals, ohne auf den Verkehr zu achten. „Ein Unfall ist hier nur eine Frage der Zeit“, so die Befürchtung. Kuhlmann habe die Kinder seit Jahren in seiner privaten Einfahrt ein- und aussteigen lassen, um diesen Gefahrenpunkt zu umgehen. Doch das sei nun nicht mehr erlaubt.
„Ich finde es ganz schrecklich, dass Politik nur noch am Schreibtisch gemacht wird und nicht mehr praktikabel ist“, so eine Mutter aus Oldinghausen.
Auch die neuen Fahrzeiten stoßen auf Kritik. In Oldinghausen/Eickum müssen Kinder nun 30 Minuten früher an der Haltestelle warten. Für berufstätige Eltern bedeutet das zusätzlichen Stress. Außerdem sei um diese Uhrzeit an den Schulen dann noch keine Aufsicht – manche bringen ihre Kinder inzwischen lieber selbst mit dem Auto. Außerdem sei die Zahl der Kinder im Bus nachmittags nach Besenkamp mit über 130 zu hoch, berichten Fahrer.
Stadt: „Wir sind froh, dass die Linie überhaupt fährt“
Doch warum diese Änderungen? Julian Kucknat-Groß von der Stadt Enger erklärt: Die BVO (Busverkehr Ostwestfalen GmbH) habe ihre Konzession für die Linie 463 nicht verlängert. Eine Ausschreibung sei ins Leere gelaufen – daraufhin gründete der Kreis die Verkehrsgesellschaft Kreis Herford (VKH), die nun für die Linie zuständig ist.
Die VKH beauftragte die Firma Lahrmann aus Wagenfeld, die wiederum die Firma Kuhlmann als Subunternehmer ins Boot holte. „Wir sind froh, dass wir die 463 überhaupt bedient bekommen“, so Kucknat-Groß. Gleichzeitig sei es aber nötig gewesen, die alten Pläne zu überprüfen. „Pragmatische Lösungen, wie Kuhlmann sie über Jahre gefunden hat, sind im klassischen ÖPNV rechtlich nicht tragbar. Auf Privatgrundstücken zu halten oder Kinder irgendwo auf der Straße einsteigen zu lassen – da wurde beschlossen, dass das so nicht verantwortet werden könne.“
Kuhlmann: „Sicherheit war immer oberstes Gebot“
Wilhelm Kuhlmann, der seit 41 Jahren Bus fährt, sieht die Lage differenziert. „Wir haben unsere Pläne jahrzehntelang so gefahren – und die BVO hat sie immer übernommen. Für uns stand immer im Vordergrund, dass die Kinder möglichst sicher zur Schule und wieder nach Hause kommen.“
Viele Eltern erinnern sich: Wenn Kinder in den falschen Bus gestiegen sind, wurden sie kurzerhand mit einem Bulli von der Firma Kuhlmann bis nach Hause gefahren – gerade bei Fünftklässlern sei das fast schon Tradition. „Heute fahre ich schon die Kinder der Kinder, die ich früher in die erste Klasse gebracht habe“, sagt Wilhelm Kuhlmann. Dass diese persönliche Fürsorge nun durch starre Fahrpläne ersetzt werde, liege auch den Fahrerinnen und Fahrern „schwer im Magen“.
Bürokratie contra Pragmatismus
Die Eltern werfen Verwaltung und Verkehrsunternehmen vor, Bürokratie über die Sicherheit zu stellen. „Es geht nicht nur um Pünktlichkeit, sondern darum, dass unsere Kinder sicher und entspannt zur Schule kommen“, so der Tenor. „Alle Fahrer der Firma Kuhlmann haben stets auf die Sicherheit der Kinder geachtet und sie auch gegebenenfalls sicher über die Straße begleitet.“ Jetzt müssen die Kinder teilweise hinter dem Schulbus herlaufen, denn das neue Unternehmen sei bei den Schulkindern wenig verständnisvoll.
Auch Kuhlmann sieht Nachbesserungsbedarf: Mittags seien die Busse nach Besenkamp so voll, dass ein Zusatzbus sinnvoll wäre. Gespräche zwischen VKH und den Busunternehmen sollen folgen – denn die Unzufriedenheit der Eltern sei inzwischen zu groß, um sie zu ignorieren.
Besonders irritiert sind Eltern außerdem über Beobachtungen, dass die Busse der Firma Kuhlmann von PKWs der VKH verfolgt und kontrolliert würden. „Das wirkt auf uns beunruhigend – wir fragen uns, wer da hinter unseren Kindern herfährt“, heißt es im Elternbrief. „Auch die Busfahrerin leidet doch unter dieser kontrollierenden Situation“, so die Eltern.
Julian Kucknat-Groß von der Stadt Enger zeigt sich überrascht von diesem Vorwurf. „Das ist mir neu. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es sich dabei um Begleitfahrten handelt, um die neuen Abläufe zu kontrollieren“, erklärt er. Für viele Familien bleibt dennoch ein ungutes Gefühl. Sie fordern mehr Transparenz darüber, wer die Busse begleitet – und warum.
Und jetzt?
Klar ist: Der Übergang vom „Schülerspezialverkehr“ zum regulären ÖPNV läuft in Enger nicht reibungslos. Manche Lösungen mögen rechtlich korrekt sein, für Familien im ländlichen Raum fühlen sie sich jedoch an der Realität vorbei gedacht an. Am Ende geht es um Vertrauen – und das wollen sowohl Eltern als auch Busfahrer so schnell wie möglich zurückgewinnen, wenn Kreis und Stadt weiterhin Elterntaxis an den Schulen entgegenwirken möchten.
Von Jana Göb