
Das Ergebnis der Bürgermeisterwahl in Enger überrascht nicht – und ist doch historisch. Stefan Böske hat gewonnen, weil er in Enger kein Unbekannter ist. Als aktives Mitglied der CDU war er über Jahre präsent, hat die Menschen im Rathaus wie in den Vereinen kennengelernt und sich einen Ruf als Pragmatiker erarbeitet. Viele Engeraner wussten also, wen sie da wählen. Das Vertrauen in den „Bekannten aus der Nachbarschaft“ war am Ende stärker als die Parteifarbe, die seit über 50 Jahren in Enger regierte.
Die CDU gewann in allen 15 Wahlkreisen die Direktmandate und stellt damit die stärkste Kraft vor Ort. Die Christdemokraten präsentieren sich in Enger betont jung und konservativ und treffen damit den Trend, der sich derzeit auch in vielen anderen Kommunen zeigt.
Gleichzeitig hat diese Wahl ein deutliches Nebengeräusch, dass die Politik nicht außer Acht lassen sollte: „Die PARTEI“ holt über zwölf Prozent – ein Achtungserfolg, den kaum jemand vorhergesehen hätte. Ihre Kandidatin Christina Meyer konnte vor allem linke Stimmen sammeln, die sonst vielleicht bei SPD oder Grünen gelandet wären. Das zeigt: Es gibt in Enger WählerInnen, die mit den etablierten Parteien hadern und lieber ein satirisches Protestzeichen setzen oder sich bewusst einen Gegenpol zu den beiden männlichen Kandidaten wünschen. Auffällig ist zudem das gute Abschneiden von Christina Meyer in ihrem Wahlkreis: Dort sammelte sie mit 9,65 Prozent sogar mehr Stimmen als Norbert Busch, Fraktionsvorsitzender der FDP (8,45%), der bereits seit vielen Jahren Ratsmann in Enger ist.
Neben den großen Verschiebungen bleibt auch manches beim Alten: Die FDP behauptet ihren Platz im Rat und ist mit drei Sitzen weiterhin vertreten. Ganz neu dabei ist hingegen „Die PARTEI“, die erstmals einen Sitz erhält. Mit ihrem satirisch-progressiven Kurs, der eher im linken Spektrum verortet ist, bringt sie eine für viele unerwartete Stimme in die Engeraner Kommunalpolitik. Bei Ratsentscheidungen wird sich nun zeigen müssen, was hinter dem Satire-Programm konkret steht.
Für die Grünen war diese Kommunalwahl ein Rückschritt. Hatten sie 2020 noch mehr als 22 Prozent bei der Ratswahl geholt (ein Fünftel der Sitze) und damit ihr bislang stärkstes Ergebnis in Enger eingefahren, kamen sie diesmal nur noch auf knapp 14 Prozent. So wenig Stimmen erreichten sie zuletzt 1999 (6,6%). Auch bei der Kreistagswahl zeigte sich das gleiche Bild: Von rund 17 Prozent im Jahr 2020 fielen sie auf gut 9 Prozent zurück. Damit haben die Grünen in Enger innerhalb von fünf Jahren fast die Hälfte ihrer Stärke verloren. Was 2020 noch als Aufbruchsstimmung galt, scheint 2025 einer gewissen Ernüchterung gewichen zu sein – sowohl mit Blick auf die bundespolitische Rolle der Partei als auch auf die Durchschlagskraft vor Ort. Fünf Sitze bleiben ihnen jedoch im Stadtrat – damit die drittstärkste Kraft.
Ein weiteres Signal dieser Wahl: Auch in den kommenden fünf Jahren wird keine AfD im Rat der Stadt Enger vertreten sein. Die Partei hatte sich in Enger gar nicht erst zur Wahl aufgestellt – ein deutliches Zeichen, dass sie hier keinen Fuß in die kommunalpolitische Tür bekommen hat. Was in unseren Nachbarstädten leider anders aussieht.
Trotzdem: Auf Kreisebene konnte die AfD viele Stimmen aus Enger mobilisieren, denn ein Blick auf die Kreistagswahl in Enger zeigt ein gemischtes Bild. Während CDU (34,89 %) und SPD (26,89 %) klar die Spitze halten, konnte sich die AfD mit 15,94 Prozent überraschend stark platzieren und damit den dritten Platz belegen. Das ist ein Wert, der in der Widukindstadt jetzt für Diskussionen sorgen sollte.
Für die SPD bleibt die Erkenntnis, dass die jahrzehntelange Selbstverständlichkeit, den Bürgermeister zu stellen, vorbei ist. Enger hat einen neuen politischen Rhythmus gefunden – und der Takt wird nun von der CDU vorgegeben. Welche Musik jetzt gespielt wird, hängt von der Zusammenarbeit aller Parteien ab.
Jana Göb